Ihre Fragen – meine Antworten: Anschreiben

Bild: Sabine Kanzler
Bild: Sabine Kanzler

Die Frage:

Immer, wenn ich ein Anschreiben für meine Bewerbung erstellen soll, macht mich das völlig fertig. Ich sitze vor dem leeren Bildschirm und mir fällt außer Absender und „Sehr geehrte Damen und Herren“ nichts ein. Was schreibe ich da? Haben Sie ein paar tolle Sätze, die den Personaler neugierig auf mich machen?

 

Meine Antwort:

Für meine Antwort könnte die Überschrift passen „Die hohe Kunst des Anschreibens! Oder vielleicht eher: Die hohe Kunst des Abschreibens?“

Denn fast jeder tut es! Was?

Satzbausteine für Anschreiben auf seiner Website, in der von ihm geschriebenen Ratgeberliteratur, mit einem „Anschreiben Generator“ zur Verfügung zu stellen. Oft sogar ganze Musteranschreiben.

Jeder tut es? Nein, nicht jeder. Ich mache das beispielsweise nicht. Auch nicht in meinem Buch „Die perfekte Bewerbung: das persönliche Erfolgsrezept bei der Jobsuche“. Folgende Überlegungen bringen mich zu der Weigerung, das Spiel mitzuspielen:

  • Fall 1: Man nutzt diese vorgefertigten Texte, weil man die Empfänger der Bewerbung (HR-Mitarbeiter, Personalberater, Fachvorgesetze) für zu einfältig hält, so etwas zu merken.
  • Fall 2: Anschreiben werden von den Empfängern der Bewerbung nicht gelesen. Dann ist es egal, was Sie als Bewerber schreiben oder woher Sie den Text haben.

In beiden Fällen muss ich mir nicht die Mühe machen, zur 6834sten Textempfehlung noch eine 6835ste hinzuzufügen. Suchen Sie einfach ein bisschen im Netz, Sie werden die anderen schon finden.

  • Wenn wir aber – und das ist dann Fall 3 – davon ausgehen, dass Anschreiben interessiert gelesen werden, wenn zielgerichtete Argumentation und individueller Stil zählen und man damit Punkte sammeln kann, dann hat mit Textbausteinen aller Art nur einer ein Problem: Sie als Bewerber, der Sie sich auf wohlfeile Worte und Versprechen der Textbausteinanbieter verlassen haben.

Ihr Anschreiben wird als Blabla erkannt und Sie brauchen schon einen guten Lebenslauf und eine sehr interessante Qualifikation und Erfahrung, um da wieder Boden gut zu machen.

Im normalen Leben sprechen Sie verständliches Deutsch. Sie sind, zum Beispiel als Vertriebsprofi, in der Lage, dem Kunden in wenigen Sätzen einen Überblick über den Produktnutzen zu geben. Sie können sogar Ihre Geschäftskorrespondenz ohne einen Ghostwriter bewerkstelligen. Zugegeben, nicht für alle Schreiben würden Sie für den Literaturnobelpreis vorgeschlagen, aber das ist im Normalfall ja auch nicht nötig. Und wenn Sie mit ein bisschen Zeit an Ihren Briefen herumfeilen, dann ist das Ergebnis eigentlich ganz passabel, stimmt’s? Warum also, um alles in der Welt, verlassen Sie dann diese Fähigkeiten, sobald es um ein Bewerbungsschreiben geht?

Was kann also ein gutes, ein individuelles Anschreiben leisten?

Es ist das einzige nicht formalisierte Dokument innerhalb einer Bewerbung. Damit kann der Bewerber eigentlich völlig frei etwas über sich und seine Befähigung für die ausgeschriebene Stelle mitteilen. Interessant ist das vor allem dann, wenn Stellen zu besetzen sind, in denen auch der Eindruck über den Menschen hinter den Unterlagen ein Auswahlkriterium fürs Bewerbungsgespräch ist.

In einem guten Anschreiben möchte der Empfänger Inhalte lesen und keine Sprechblasen, er möchte im Text einen Bezug zur Stellenausschreibung, zum Unternehmen, zur Aufgabe finden. Anschreiben sind dann interessant, wenn der Empfänger in ihnen erkennen kann, dass der Bewerber sich mit den Anforderungen der Stelle und des Unternehmens wirklich beschäftigtet hat und die Ergebnisse dieser Auseinandersetzung knapp und verständlich zusammenfassen und in Bezug zu seiner eigenen beruflichen Entwicklung setzen kann. Je höher die kommunikativen Anforderungen einer Stelle, umso wichtiger ist es, dass der Bewerber auch diese Form der Kommunikation „kann“.

Wirklich etwas über sich und seine Arbeitsweise mitzuteilen ist also eine inhaltliche Aufgabe, keine textgestalterische. Für alle Bewerber mit einer akademischen Ausbildung (ebenso für solche mit einer qualifizierten Berufsausbildung und –erfahrung) ist diese Anforderung keineswegs besonders hoch gegriffen. Sie erfordert auch keine so speziellen Kenntnisse, dass man sie nicht meistern könnte. Denn jeder hat im Laufe seiner Ausbildung Klausuren geschrieben, Hausarbeiten und Abschlussarbeiten verfasst. Wieso sollte dann ein einseitiges Anschreiben eine wirkliche Hürde sein?

 

4 Gedanken zu „Ihre Fragen – meine Antworten: Anschreiben

  1. Andrea K.

    Alles in allem gebe ich Ihnen Recht, Frau Kanzler-Magrit. Das Wichtigste an einem Anschreiben ist, dass es individuell ist und nicht aus Worthülsen und Phrasen besteht.

    Trotzdem nutze ich Textbausteine – natürlich nicht in ihrer ursprünglichen Form!

    Sie dienen lediglich dazu, die Lähmung und den Blackout, ausgelöst durch das große, leere Blatt, zu überwinden. Und wenn da erstmal ein Text steht, dann fange ich an, diesen auf mich persönlich (und vor allem auf die ausgeschriebenen Stelle) zu individualisieren. Was am Ende abgeschickt wird, hat nichts mehr mit den verwendeten Textbausteinen zu tun – sie sind nur ein Mittel zum Zweck.

    Antworten
  2. Sabine Kanzler Beitragsautor

    Ok, das ist natürlich eine gute Möglichkeit, Vorgefertigtes zu nutzen.

    Die Technik gleicht ja ein bisschen der, die empfohlen wird bei jeder Art von Schreibblockade: Man fängt einfach an, irgendwas zu schreiben. Ohne Anspruch auf Formulierung und Geistesblitze alle Art, nur, damit erst mal etwas auf dem Papier steht.

    Ein einleitender Text für ein Bewerbungsschreiben könnte sein „Eigentlich finde ich es total blöde, dass ich mir jetzt so ein Bewerbungsanschreiben abkneifen soll. Können Sie mich nicht einfach so einladen? Dann würde ich Ihnen nämlich erzählen, dass ich super viel Lust habe auf …., weil ich … schon mal gemacht habe und da was ganz Tolles dabei rauskam. Das war …“

    Und schon hätte man etwas, was man dann in „anständige“ Sätze bringen könnte!

    Antworten
  3. Bernhard

    Mir fällt es leichter Bestehendes umzuschreiben. Also fing ich vor x Jahren mit einem Musteranschreiben an und irgendwann wurde es *meins*, das mit dem Ursprung nicht mehr viel zu tun hat.
    Über die Jahre wurde daraus ein Standardanschreiben, das ich für die jeweilige Stelle weniger oder mehr anpasse und nach Bedarf natürlich immer wieder grundlegend ändere.
    Inzwischen gibt es Dienstleister, die so ein individualisiertes Musteranschreiben für 50-100 €uronen erstellen. Das hätte mir und all jenen, die „Angst vorm weißen Blatt“ haben, sehr geholfen.

    Antworten
  4. Sabine Kanzler Beitragsautor

    Kein Dienstleister kann ein „individualisiertes Musteranschreiben“ für 50 bis 100 Euronen erstellen. Wobei ja „individualisiert“ und „Musteranschreiben“ schon ein Widerspruch in sich sind.

    Rechnen wir doch mal die 100 Euro in Arbeitszeit um:

    Um ein wirkliches Briefing zu bekommen, was so ein Anschreiben enthalten soll und muss, muss ich mich mit dem Lebenslauf des Kunden vertraut machen. Ich muss also wissen, wie seine Erfahrungen sind, wo sein Potenzial liegt, seine Einschränkungen etc.

    In einem zweiten Schritt muss ich mich mit der Anzeige beschäftigen. Das heißt, ich muss sie nicht nur kurz überfliegen, ich muss eine Anzeigenanalyse machen. Also: Um welche Art von Unternehmen handelt es sich? Wie sind die Anforderungen? Was bedeuten benutzte Begrifflichkeiten und welche Anforderungen leitet das Unternehmen daraus ab? Und last, but not least muss ich diesen Anforderungen ganz konkret das gegenüber stellen, was der Bewerber mitbringt.

    In einem dritten Schritt muss ich mich mit dem Sprachstil des Bewerbers vertraut machen. Denn wenn es ganz dumm läuft, dann wird der nämlich eingeladen und sobald er den Mund aufmacht wird deutlich, dass er es mit dem im Anschreiben benutzten Vokabular nicht so hat, im schlimmsten Fall nicht mal die Bedeutung bestimmter Begriffe kennt. Erzählen Sie mir nicht, dass das nicht vorkommt. Ich hab alles schon erlebt!

    Und dann kommt der letzte Schritt: Ich als Dienstleister setze mich hin und schreibe. Das dauert wie lange? Allein die Zeit, eine Seite zu tippen, dauert doch etwa 10 Minuten. Und dabei ist das Denken nicht eingerechnet.

    Ich komme also auf eine Arbeitszeit von gut zwei Stunden. Wenn ich sehr schnell bin und die Bewerbung eher überschaubar in ihrer Komplexität. Eher mehr!

    Und jetzt rechnen Sie aus, wie viel Individualität wohl bei einem Preis von 50 bis 100 Euro realistischer Weise drin sein kann.

    Antworten

Schreibe einen Kommentar zu Bernhard Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert